Dieser Artikel soll einen kurzen Einblick in die bewegte Geschichte der linksjugend [‘solid] und ihrer historischen Wurzeln geben. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
An einem Wochenende im Juni 1999 gründeten etwas mehr als hundert Jugendliche und junge Erwachsene in Hannover den Jugendverband [‘solid] – die sozialistische jugend. Die Initiative zur Gründung eines parteinahen Jugendverbandes bei der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) ging von Mitgliedern der „Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in und bei der PDS“ (AGJG) und parteilosen Jugendlichen aus. Sie folgten gemeinsam einem Gründungsaufruf, der 1998 in Beckerwitz bei einem Sommercamp junger PDS-Mitglieder, erarbeitet worden war.
Die Gründung sollte, so hieß es im Gründungsaufruf, dazu beizutragen, weit über das originäre Arbeitsfeld klassischer Partei-Jugendstrukturen hinaus „mit Kultur und Aufklärung um die Herzen und Köpfe der Jugendlichen zu kämpfen“, und in Zeiten rechter Hegemonie und „national-befreiter Zonen“ eine bundesweite Vernetzung linker Jugendlicher und Jugendgruppen etablieren. Ein zentrales Ziel sollte es sein, „Öffentlichkeit zu organisieren“ und „im eigenen gesellschaftlichen Umfeld – dem der Jugend – präsent zu sein“. Diese Ausrichtung war auch eine Konsequenz aus dem Scheitern der AGJG. Deren Organisationsform in der Partei und die nach innen gerichtete politische Praxis erschien vielen Aktiven überholt und nicht geeignet, um eine attraktive Ausstrahlung auf junge Linke zu entwickeln. Die PDS begrüßte die Gründung des Jugendverbandes und erhoffte sich davon eine Image-Verbesserung bei jungen Menschen und eine Trendwende bei ihrer durch Überalterung geprägten Mitgliederstruktur.
Sowohl die „Gründungserklärung“ als auch die ein Jahr später beschlossene „Politische Plattform“ bezogen sich einleitend auf den berühmten Ausruf von Karl Marx, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Der Kampf um die Selbstbestimmung des Einzelnen und die Beendigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sei „nach wie vor Aufgabe sozialistischer Politik“. Als „eine Ursache aller gesellschaftlichen Missstände“ wurden die kapitalistischen Produktionsverhältnisse ausgemacht, die „umgestürzt werden“ müssten, „um die Probleme in der Gesellschaft nicht nur zu bekämpfen, sondern auch zu lösen“.
Zunächst aber ging an die Organisierung der Verbandsstrukturen. Der Bundesverband gliederte sich in Landesverbände und Ortsgruppen. Diese Struktur wurde durch die linksjugend [‘solid] später weitgehend übernommen. Zum Verbandsleben zählten Kampagnen, Demonstrationen, Bildungsseminare, Film- und Leseabende ebenso wie jährliche Camps zu Pfingsten und im Sommer. Der Verband wirkte seit 2002 als Mitglied beim globalisierungskritischen Netzwerk attac mit, knüpfte eine Vielzahl internationaler Kontakte und wurde schnell zu einer tragenden Säule von ENDYL, dem Europäischen Netzwerk der demokratischen jungen Linken (ENDYL). In der Folge gab es kein Sozialforum und keine Demo gegen G8-Gipfel in Europa, bei denen der Jugendverband nicht mit einer großen Delegation teilnahm.
Die bekannteste und erfolgreichste Kampagne war „aufmucken gegen rechts“. Sie wurde Anfang 2005 als Reaktion auf neofaschistische Schulhof-CDs gestartet. Zahlreiche bekannte Bands und Künstler_innen wie Jan Delay, Die Fantastischen Vier, Seeed, Such a Surge und Irie Révoltés stellten unter Verzicht auf ihre Gage einen (meist politischen) Titel zur Verfügung, während die Mitglieder in kurzer Zeit eine fünfstellige Spendensumme mobilisierten, um damit 50.000 Musik-CDs zu produzieren, die kostenlos vor Schulen und Jugendzentren verteilt wurden. Die Aktion fand ein beachtliches mediales Echo und steigerte den Bekanntheitsgrad und die Mitgliederzahlen des Verbandes deutlich.
Die politische Schwäche der nahestehenden PDS ging am Jugendverband jedoch nicht spurlos vorbei. Mit dem katastrophalen Abschneiden bei der Bundestagswahl 2002 flog die Partei aus dem Bundestag und verlor ihre bundesweite Ausstrahlung. Die innerparteilichen Richtungskämpfe wirkten in den Jugendverband. Zum einen schärfte dieser sein antikapitalistisches Profil und die Orientierung auf soziale, antifaschistische und ökologische Bewegungen. Zum anderen wurde verstärkt um die Frage gerungen, was das Bekenntnis der „Parteinähe“ für die politische Praxis bedeuten sollte. Eine kleine Gruppe von etwa 20 Mitgliedern trat in der Folge aus und gründete die „PDS-Jugend Berlin/Brandenburg“.
Es war aber nur noch eine Frage der Zeit, bis sich große Veränderungen ankündigten. Die Rotgrüne Bundesregierung aus SPD und Bündnis’90/ Die Grünen hatte mit der ersten deutschen Beteiligung an einem Angriffskrieg seit dem Zweiten Weltkrieg, dem Krieg gegen das damalige Jugoslawien, und ihren „Agenda 2010“-Reformen viele Wähler_innen bitter enttäuscht: In der Folge entstand 2005 die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG). Der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine trat aus seiner Partei aus und rief PDS und WASG zur Gründung einer gemeinsamen linken Partei auf.
[‘solid], bis dato knapp 2.000 Mitglieder stark, begriff diese Entwicklung als große Chance und wählte bereits im Jahr 2006 Mitglieder aus WASG, PDS-Jugend Sachsen und Berlin/Brandenburg in den Bundessprecher_innenrat. Es bildeten sich paritätisch besetzte Arbeitsgruppen, in denen junge Mitglieder von [‘solid], PDS und WASG die inhaltliche und satzungsmäßige Grundlage für eine politische Neugründung des Jugendverbandes vorbereiteten und diesen Prozess sogar einen Monat vor der Parteifusion zum Abschluss bringen konnten.
Die Gründungskonferenz der linksjugend [‘solid], die zugleich die 9. Bundesdelegiertenkonferenz des Vorgängerverbandes war, fand vom 18. bis 20. Mai 2007 im „Kosmos“ in der Berliner Karl-Marx-Allee statt. Wenngleich allen Teilnehmer_innen in Erinnerung bleiben wird, dass die Geburt des Fusionsverbandes alles andere als einfach war, so war sie doch der Startschuss für eine erfolgreiche Entwicklung. Der neue Verband definiert sich als sozialistisch, antifaschistisch, basisdemokratisch und feministisch. DIE LINKE hat den „parteinahen Jugendverband“ als „die Jugendorganisation der Partei“ anerkannt. Eine weitere Neugründung war der parteinahe Studierendenverband DIE LINKE.SDS, der sich als Gliederung des Jugendverbandes konstituiert hat. Er ist an dutzenden bundesdeutschen Hochschulen präsent und sorgte 2008 mit einem großen „1968“-Kongress für Aufsehen.
Das Programm der linksjugend [‘solid] wurde auf dem 1. Bundeskongress beschlossen und stellt eines der umfangreichsten in der Geschichte linker Jugendverbände dar. Es verknüpft den Anspruch einer auf konkrete Verbesserungen gerichteten Tagespolitik mit dem einer globalen sozialistischen Perspektive. Gleich nach seiner Gründung konnte der Verband eine beachtliche Präsenz bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm zeigen. Seitdem waren und sind wir an zahlreichen Bündnissen auf verschiedensten Ebenen beteiligt. So zum Beispiel im Bereich Antifaschismus, Feminismus, Bildung und Klimapolitik. Des weiteren beteiligen wir uns, mit unseren eigenen Schwerpunkten, an Wahlkämpfen unserer Mutterpartei DIE LINKE und stellen inzwischen auch zahlreiche Parlamentarier.
Die Aufbauarbeit hat sich gelohnt. Der Verband zählt inzwischen über 22.500 Mitglieder (davon 6.500 aktive) und zählt damit zu den größten politischen Jugendverbänden in Deutschland.