Das Erstarken rechten Gedankenguts ist überall wahrnehmbar – auf Social Media, auf der Straße und
in den Parlamenten. Besonders erschreckend ist die erneute Zunahme der körperlichen Angriffe auf
queere und geflüchtete Menschen in der letzten Zeit, beispielsweise der Angriff auf den CSD in
Weißenfels in Sachsen Anhalt.
Die Gründe dafür finden sich zum einem in den wirtschaftlichen Krisen unserer Zeit – Sozialabbau und Privatisierung weiterer Teile lebensnotwendiger Grundversorgung, durch Konzerne wie Vonovia und LEG auf dem Wohnungsmarkt, das Leistungsprinzip zur Kosteneinsparung in den Krankenhäusern seit 2003, E.ON auf dem Energiemarkt seit 2000, die Deutsche Bahn AG im Verkehrsbereich seit 1994 bzw. 99, der Ausverkauf der kommunalen Wohnung sgenossenschaften und Innenstädte. Sie destabilisieren die Lebensstandards der Menschen und treiben Konkurrenz und Angst vor materiellen
Verlusten voran. Letzteres stärkt die Akzeptanz für das rigide Schützen von Privateigentum durch den
Staat und das Stel len der Eigentumsrechte Einzelner über das Gemeinwohl. Wenn die Privatisierung
gescheitert ist, ‚rettet‘ der Staat regelmäßig die heruntergewirtschafteten Unternehmen, so wie
letztes Jahr im Fall E.ON und Uniper, wobei die Verantwortlichen meistens nicht zur Rechenschaft
gezogen werden, sondern sogar davon profitieren.
Zugleich stehen Reallohnverluste einer Explosion der Mietpreise und Preisinflation gegenüber, dazu
kommen hohe Heizungskosten. Anstatt auf diese wirtschaftlichen Krisen Antworten in einer
ve ränderten Wirtschaftspolitik zu suchen, richten liberale, konservative und rechte Parteien den
Diskurs fälschlicherweise auf Kultur und Identitätsdebatten. Das eröffnet Brüche in der Gesellschaft
und verhindert überdies die Lösung der eigentlichen Problem e. Dies verstärkt die bereits bestehende
Politikverdrossenheit und führt zu einem wachsenden Misstrauen gegenüber dem Staat, von dem
sich viele Menschen übergangen sehen und sich als ohnmächtig Einfluss zu nehmen wahrnehmen.
Die Sphäre der Politik wird in den Köpfen immer weiter von der des Privatlebens getrennt selbst der
Gang in den Supermarkt, die Entscheidung, welche Produkte man konsumiert, wird als direkter
politisch und mehr Einfluss nehmend wahrgenommen als der Gang zur Wahlurne alle paar Jahre.
Weshalb sollte man den Kontakt zu einer Politik suchen, die – gefühlt – keine Berührungspunkte zum eigenen Leben hat?
Die Gründe, für die im eigenen Leben erlebten Krisen – niedrigen Lohn, die Suche nach einem Arbeitsplatz,
Wohnungsmangel, werden losgelöst vom System an einzelnen Akteuren festgemacht.
Die Schuld wird entweder in einem ‚Kulturkampf‘ im Namen ‚westlicher Werte‘ der LGBTQ* Community, Frauen, Empfänger*innen von Sozialleistungen, antisemitisch codierten ‚globalistischen‘; Eliten oder Geflüchteten zugeschoben oder einzelnen Politiker*innen und Parteien (die vielleicht Anteil an Problemen tragen, aber nicht deren Ursache darstellen), wodurch sie entpolitisiert werden – schließlich liegen die Ursachen dann ja bei Einzelpersonen und sind nicht
strukturell, es ist also nur nötig, das Personal im bestehenden System auszuwechseln oder es leicht zu
reformieren. In der rechten Rhetorik äußert sich dies in den Forderungen nach “Politikerhaftung” und
Neuwahlen. Das Bedürfnis, selbst zu handeln, zeigt sich vielleicht am krassesten in jener
Überschneidung der Rechten mit Esoteriker*innen und Gegner*innen der Schulmedizin, die mit
schamanischen Ritualen und “Manifestation der Wünsche durch Gedankenkraft” eine Illusion der
Möglichkeit von Einflussnahme und Tätigkeit des Einzelnen erzeugen. Sie bieten den Nährboden für
eine Radikalisierung nach Rechts zu völkischen und rassistischen Ideen, bspw. über das Konzept der
“Volksseele” der Anthroposophie, die einen fließenden Übergang zu Nationalismus und dem
Volksbegriff des NS bietet.
Aus Angst vor einer unsicheren Zukunft werden konservative und rückwärtsgewandte Ideologien
immer attraktiver, versprechen sie doch Sicherheit und die Rückkehr zu etwas vermeintlich
Altbekanntem, das stark romantisiert wird, wie die patriarchal geprägte Kleinfamilie der 1950er Jahre.
Durch das Fehlen der Erfahrung kollektiver Kämpfe, bspw. großer Streiks und direkter
Politikbeteiligung in der Nachbarschaft oder in anderen Kollektiven wie Betrieben oder Vereinen,
fühlen sich viele Menschen handlungsunfähig und isoliert von ihrer Umwelt. Durch diese fehlende
Erfahrung ist es auch schwer, eine größere soziale Protestbewegung aufzubauen Sätze wie “Wenn
ein starker Arm es will, stehen alle Räder still” kennen viele nur noch aus dem Geschichtsbuch, und
wer erinnert sich noch an die großen Streiks der IG Metall in den 1970er Jahren? Ihre Bedeutung
wurde übertüncht von der Betonung der Verantwortung des Einzelnen.
Eine gleichzeitige Sehnsucht nach Gemeinschaft und kollektiver Erfahrung fördert die Verbreitung der
rechten Idee der “Volksgemeinschaft”. Kombiniert mit der Angst, Arbeitsplätze an Migrant*innen zu
verlieren, rechter Hetze und “Das Boot ist voll” Erzählungen, mit denen die neue Rechte inzwischen
stark Einfluss auf den öffentlichen Diskurs nimmt, werden Nationalismus und Hass gegen Flüchtlinge
gestärkt.
Der Rechtsruck ist nicht auf Deutschland beschränkt – er erstreckt sich über weite Teile Europas,
Polen, Italien, Griechenland, Skandinavien. Die europäischen rechtspopulistischen Parteien gewinnen
immer mehr Einfluss im EU Parlament. Vielleicht liegt hier einer unserer Vorteile im Kampf gegen
Rechts während sie versuchen, globale Krisen mit nationalistischen Ideen zu bekämpfen, wird unser
Ansatz als linke und kommunistische Jugendorganisation stets ein internationalistischer sein, und
internationale Krisen wie die Klimakatastrophe bedürfen internationalistischer Antworten.
Aus diesem Grund wollen wir in den nächsten Jahren engeren Kontakt zu unseren Genoss*innen aus
den linken Organisationen der umliegenden Länder suchen bspw. Rood in den Niederlanden, die
Socialistisk UngdomsFront (SUF) in Dänemark und Ung Vänster in Schweden, um uns gegenseitig zu
unterstützen und voneinander zu lernen.
Auch die Solidarisierung mit und vor allem praktische Unterstützung von besonders vom Rechtsruck
betroffenen Bundesländern wie Sachsen Anhalt und Thüringen ist nötig. Zudem ist es wichtig , linke
Lösungen für oben genannte Krisen weiter in den öffentlichen Diskurs zu tragen und sichtbar zu
machen, um rechter Stimmungsmache den Nährboden zu entziehen. Maßnahmen dazu wären
beispielsweise vermehrte Angebote politischer Bildung und die Gründung und Wiederbelebung von
Landesarbeitskreisen, bspw. zu Wirtschaftspolitik oder Internationalismus.
Gleichzeitig müssen rechte Erzählungen, die Antifeminismus, Rassismus, Hass gegen queere
Menschen oder Antisemitismus propagieren, aufgedeckt werden. Weiter hin solidarisieren wir uns
uneingeschränkt mit antifaschistischem Gegenprotest auf der Straße gegen Montagsspaziergänge,
Querdenken, Fackelaufmärsche von Burschenschaften und ähnliche reaktionäre Veranstaltungen und
beteiligen uns, wo möglich, auch selbst daran.
Es reicht allerdings nicht aus, bereits Errungenes gegen Rechte zu verteidigen, wir müssen auch in die
Offensive gehen, indem wir vermehrt radikale Ideen und Forderungen von Links in den Diskurs
einbringen und aktiv dazu beitragen, die Kraft kolle ktiven Handelns wieder erlebbar zu machen,
indem wir bspw. die die Kolleg*innen im TVL Streik im Oktober dieses Jahres unterstützen.
Eine weitere Strategie gegen Rechts ist das Zerpflücken der Sozial- und Wirtschaftsvorstellungen
bspw. der AfD, die dem Großteil ihrer Wählerschaft eher schaden als nützen würden
Der vollständige Niedergang des Faschismus ist nur mit dem Niedergang des Kapitalismus zu
erreichen, umgekehrt ist er eng mit diesem als seinem zu Grunde liegendem Wirtschaftssystem
verknüpft. Hier bietet sich die Möglichkeit, vermehrt antikapitalistische und antifaschistische Kämpfe
zu verbinden.
In einer Zeit, wo es in einem Land, wo es einst “Nie wieder” hieß, die AfD in diesem
Jahr ihren ersten Landrat stellt und antisemitische Straftaten stark zunehmen, ist es umso wichtiger,
wieder oder weiterhin eine aktive Erinnerungskultur zu betreiben, um an die Verbrechen des NS
Regimes zu erinnern, den Opfern des Faschismus zu gedenken und an das Versprechen von
Buchenwald zu erinnern:
„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den
Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der
Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren
gemordeten Kame raden und ihren Angehörigen schuldig.“