A12: Nieder mit der Polizei

Wir sollten im Kopf behalten, dass der Ursprung einer Institution entscheidend ist –
und die Polizei wurde von der herrschenden Klasse geschaffen, um die Arbeiterklasse und
die Armen zu kontrollieren, nicht, um ihnen zu helfen. Daran hat sich nichts geändert. “ [1]

Frisch im Gedächtnis sind noch die Bilder der massiven Polizeigewalt im Rahmen
der Räumung des Dorfes Lützerath, welches für die Profitinteressen des
Energieunternehmens RWE für die darunterliegende Kohle von Polizeihundertschaften
aus dem gesamten Bundesgebiet (inklusive aus Bundesländern in den Die Linke.
mitregiert) wortwörtlich freigeprügelt wurde. Ähnlich frisch im Gedächtnis sollte auch die
Berichterstattung rund um die Silvester-Nacht im migrantisch geprägten Berlin-Neukölln
sein, wo die bürgerliche Presse Hand in Hand mit Polizeigewerkschaften und den
bürgerlichen Parteien (insbesondere CDU/CSU und AfD) eine zutiefst rassistische Debatte
anheizte, welche vornehmlich migrantische Jugendliche zum Ziel hatte. So schrieb bspw.
der CDU-Bundestagsabgeordnete und sog. ‚Innenexperte‘ Christoph de Vries auf Twitter:
„Wenn wir Krawalle in unseren Großstädten, Verachtung gegenüber dem Staat und
Übergriffe gegen Polizisten und Feuerwehrleute wirklich bekämpfen wollen, müssen wir
auch über die Rolle von Personen, Phänotypus: westasiatisch, dunklerer Hauttyp
sprechen. Um es korrekt zu sagen“ [2]
In eine ähnliche Kerbe schlug auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD),
welcher auf Twitter, wohlwissend um die Implikation in dem Diskurs, die Kündigung der
Wohnung für jene forderte, die Rettungskräfte rücksichtslos gefährdet hätten. Lauterbach
löschte diesen Tweet im Nachhinein. [3]
Diese gesamte Debatte fußte letztlich auf falschen Polizeimeldungen, welche
anfangs von 145 Festgenommenen mit 18 Nationalitäten im Kontext der Silvesternacht
sprachen, welche dann später auf 38, davon mehrheitlich Deutsche, revidiert werden
musste. [4] Dass sich die Polizei nicht zu schade ist, durch Falschmeldungen Debatten
loszutreten sollte unter Anderem aus den Erfahrungen des G20-Gipfels 2017 in Hamburg
nicht verwundern. Der rassistische Charakter der nahezu alljährlichen Silvesterdebatten
überrascht indes auch nicht, wenn man betrachtet wie die Polizei regelmäßig mit
rechtsradikalen Strukturen, als auch mit rechten Chatgruppen in Verbindungen gebracht
wird. Auch die Morde an migrantischen Menschen – stellvertretend seien hier Halim
Dener, Oury Jalloh und Mouhamed Lamine Dramé genannt – zeigen den Charakter der
Polizei auf, welche von Anfang an den Vormachtanspruch einer weißen
Mehrheitsgesellschaft im Dienste der Kapitalakkumulation durchgesetzt hat.
So finden sich die Wurzeln der amerikanischen Polizei in den Klassenkonflikten des 19ten
Jahrhunderts, wo sie aufgestellt wurde um die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit
im Sinne der sich entwickelnden Bourgeoisie, etwa durch die Niederschlagung von Streiks
oder das Einfangen entflohener Sklaven. [5] Auch in Europa war es von Anfang an
Aufgabe polizeiähnlicher Institutionen Menschen aus Lebensstilen, die nicht direkt der
Kapitalakkumulation dienlich waren, wie etwa der Landstreicherei und des Bettelns, in die
Wertschöpfungskette zu pressen – Eine Praxis, in der natürlich vornehmlich als fremd
markierte Bevölkerungsgruppen, besonders der sogenannten Betteljuden, sowie der
Rom*nja und Sinti*zze, der Kriminalisierung ausgesetzt war. [6]
Diese Praxis führt die Polizei nahtlos bis heute mit immer moderneren Repressions- und
Überwachungsmethoden fort, etwa indem sie Obdachlose drangsaliert, ganz offen und
systematisch Schwarze Menschen und PoC durch Kontrollen schikaniert [7] und auch
potenziell tödliche Abschiebungen rigoros durchsetzt. Als bewaffneter Arm der
herrschenden Klasse setzt sie eben die herrschenden Verhältnisse mit tödlicher Gewalt
durch. Appelle an die Herrschenden, eben jene Funktion der Polizei abzuändern, werden
vergeblich sein, da die Bourgeoisie auf die Verteidigung ihres Eigentums gegen soziale
Bewegungen aus der Arbeiter*innenklasse angewiesen ist.

Als Linksjugend [’solid] Niedersachsen schlussfolgern wir daraus:
– Die Polizei als Institution ist genauso wie der Kapitalismus als Wirtschaftsform nicht
reformierbar. Beide bedürfen einer kompletten Hand in Hand gehende
Zerschlagung und einer Neuformierung unter der vollständigen demokratischen
Kontrolle der Arbeiter*innenklasse.
– Eine Kooperation mit der Polizei, die darüber hinaus geht, der eigenen
Kriminalisierung vorzubeugen und die Durchführung eigener Aktionen nicht zu
gefährden, lehnen wir ab.
– Jeder Ausweitung der Befugnisse und jeder Aufrüstung der Polizei begegnen wir
mit vollständiger Ablehnung.


Als Linksjugend [’solid] Niedersachsen formulieren wir folgende tagespolitische
Forderungen:
– Den Rausschmiss der ‚Gewerkschaft der Polizei‘ (GdP) aus dem Deutschen
Gewerkschaftsbund (DGB).
– Die Entwaffnung der Polizei. Kein standardmäßiges Tragen von Schusswaffen.
Keine Anschaffung von potentiell tödlichen Tasern.
– Die Schaffung einer unabhängigen Behörde, welche das Verhalten der Polizei
kontrolliert und bei Bedarf sanktioniert. Eine solche Behörde bedarf umfassender
Befugnisse gegenüber der Polizei und muss unter direkter demokratischer Kontrolle
stehen. Aktive und ehemalige Menschen aus dem Polizeidienst sind von der
Mitarbeit in einer solchen Behörde ausgeschlossen.
Weiterhin werden alle Strukturen der Linksjugend [’solid] Niedersachsen dazu angehalten:
– Sich regelmäßig über den Charakter der Polizei zu bilden und auszutauschen und
die Erkenntnisse aus solcher Bildungsarbeit und natürlich auch aus eigenen
Erfahrungen publik zu machen.
– Sich aktiv an Mobilisierungen und Aktionen, welche die Polizei als Institution infrage
stellen, zu beteiligen. Dies kann etwa Aktionen gegen Stände der Polizei bei
Jobmessen, die Teilnahme an Demonstrationen, wie beispielsweise die jährlichen
Demonstrationen im Gedenken an Oury Jalloh in Dessau oder zu Anlässen wie
dem 18. März – Tag der politischen Gefangenen beinhalten.


[1] Sam Mitrani: „Warum sich die Polizei nicht ändern wird.“ Analyse & Kritik 661.
15.6.2020. https://www.akweb.de/ausgaben/661/warum-sich-die-polizei-nicht-
aendern-wird/

[2] https://twitter.com/VriesChristoph/status/1610029274614071296

[3] https://www.rnd.de/panorama/karl-lauterbach-will-boeller-chaoten-die-wohnung-
kuendigen-und-loescht-tweet-wieder-TBBQ762TYBFMLLL2XBQLHS7TGI.html

[4] Stefan Kalmring: „Mit gerümpfter Nase.“ Analyse & Kritik 689. 17.1.2023.https://www.akweb.de/politik/silvester-berlin-neukolln-mit-geruempfter-nase/


[5] Sam Mitrani: „Warum sich die Polizei nicht ändern wird.“ Analyse & Kritik 661.
15.6.2020. https://www.akweb.de/ausgaben/661/warum-sich-die-polizei-nicht-
aendern-wird/


[6] Vgl. Lea Pilone: „Polizei und Rassismus in Deutschland. Eine historische
Genese,“ In: Eleonora Roldán Mendívil und Bafta Sarbo (Hrsg,): Die Diversität der
Ausbeutung. Zur Kritik des herrschenden Antirassismus. Berlin 2022, S. 121-139.
[7] Siehe https://twitter.com/c_ab_/status/1564647444998246401

Begründung:
Ergibt sich aus dem Antragstext. Zudem erfordert die bisherige Beschlusslage der
Linksjugend [’solid] Niedersachsen unbedingt eine inhaltliche Erweiterung und
weitergehende Forderungen gepaart mit konkreten Ansätzen für die politische
Praxis.